Chefkommentar: Corona und die Weinbranche

15.08.2020

Weinwissen > Chefkommentar

Nun treibt uns dieser kleine, fiese Virus schon fast ein halbes Jahr um, vielen hängt die Berichterstattung schon zu den Ohren raus und es geschehen Dinge, die man vor drei Monaten nicht für möglich gehalten hätte und die auch nichts mit Intelligenz zu tun haben können. Ich meine, ab Mitte Oktober demonstrieren die gegen schlechtes Wetter und anhaltenden Nebel…
Gepeinigt von der täglichen Flut schlechter Nachrichten, fragt sich unsereiner ja, wie geht es der Weinbranche und den Weinproduzenten? Im Gegensatz zu den Kollegen der Bekleidungsbranche geht es der Weinbranche bisher gut – wir haben ja zum Glück nur einen Jahrgang und nicht 4 Kollektionen im Jahr –man könnte eigentlich auch mal gegen das Verschwinden des Winterschlussverkaufs demonstrieren.

Ferner gilt die alte Weisheit: wer Sorgen hat, hat auch Likör - der Alkoholkonsum ist seit März leicht ansteigend. Der Konsument scheint dank Kurzarbeit mehr Zeit für Genuss zu haben und macht es sich vor dem Hintergrund überfüllter Nordseestrände und Reisewarnungen auf dem heimischen Balkon gemütlich.
Die Gastronomie dümpelt freilich, aber was nicht im Restaurant getrunken wird, wird nun halt zu Hause verkostet. Die reinen Onlinehändler jubeln auch in unserem Bereich und steigern Ihre Umsätze enorm. Multi-Channel-Büdchen wie die Bastion bleiben im Vergleich dazu eher auf dem Boden – aber der Onlineshop hat das Wegbrechen der Gastronomie hervorragend abgefangen.
Fazit für uns: schlecht ist ganz anders!
Die genannte Konstellation spiegelt sich auch auf den Weingütern wieder.
Produzenten, die von Haus aus immer sehr viel direkt in die Gastronomie verkauft haben, knapsen und japsen tatsächlich. Weingüter, die einen anderen Kundenmix haben, haben quasi das gleiche erfahren, wie wir in der Bastion auch. Zitat eines Winzers aus Heilbronn: „wenn ich früher 3-5 Pakete am Tag verschickt habe, sind es heute halt 30-50.“ Das gleicht die Gastronomie gut aus. Viel gravierender wirkt sich aber das Ausbleiben der üblichen Feste aus:

    • Hoffest = 40.000EUR Umsatz,
      Weinfest in der Stadt = 50.0000EUR Umsatz,
      Consumer-Messe hier und da = je 20.000EUR Umsatz
  • …und so läppert sich doch ein deutliches Minus zusammen.
    Hinzu kommt: die Keller bleiben voll.

    Die schlichten Volumen, die durch die Gastronomie und derlei Feste – zu günstigen Preisen natürlich - gedreht werden, stagnieren: der Privatkunde trinkt zwar teurer, aber dafür halt auch in kleineren Mengen auf’s Mal. Dahingehend sind die Aussagen je nach den Erträgen der letzten Jahre unterschiedlich und changierten zwischen: „2018 und 2019 waren vom Ertrag eh so gering, da mache ich mir keine Sorgen“ bis hin zu, „ja, das wird problematisch, denn die nächste Ernte steht schon vor der Tür“.
    Die Preise für losen Fasswein sind daher aktuell ziemlich im Keller – man darf gespannt sein, wie sich die Preissituation für die Winzergenossenschaften und Ihre Mitglieder auswirken wird, die ohnehin in den letzten Jahren mit ihrem Profil als Lieferant des günstigen Vierteles und eines sich gen „lieber besser und weniger“ verschiebenden Konsumverhaltens kämpfen.

    Es ist also nicht alles schlecht, aber es ist noch nicht absehbar, wie es final für alle beteiligten ausgeht. Werden neue Konzepte die Tradition überflügeln, werden Online-Tastings die klassische Hausmesse ersetzen? Auch dazu gab es aus der Ortenau eine schöne Aussage: viele Händler verkauften ohne jährliche Hausmesse besser, als mit – da fragt sich doch, ob man sich Hotel und Benzin nicht zukünftig spart?

    Noch sehe ich das nicht ganz, aber wenn der Virus uns noch ein paar Monate neue Verhaltensregeln einschleift, kann sich in der Branche noch einiges tun, was wir heute noch gar nicht als Möglichkeit sehen – denn wie gesagt, wer hätte sich ausgemalt, dass Menschen, überspitzt gesagt, gegen Zusammenhalt und Solidarität demonstrieren gehen?

    Bleiben Sie gesund, Ihr Jörg Ilgen

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