Der Chefkommentar: Was ist ein Weinhändler?

15.12.2020

Weinwissen > Chefkommentar

Was ist ein Weinhändler – und wie wird man ihm?

Wann immer ich an einer Bar auf diesem Planeten saß und das Gespräch auf den ausgeübten Beruf kam, so führt die Nennung von „Weinhändler“ beim Gegenüber immer zu leuchtenden Augen.
Romantische Verklärung: das muss aber schön sein, durch die Weinregionen der Welt zu reisen, ganztägig Wein trinken und zum Abschluss noch den Winzershund hinter den Ohren zu kraulen. So oder ähnlich…
Ganz so ist es leider nicht, was aber auch, wenigstens auf mich bezogen, an einer eher asketischen Ausgestaltung des Aufgabengebietes "Reisetätigkeit" liegt. Denn, das darf gesagt sein, „kennste einen Keller, kennste alle“, viele der werblichen Winzerkommentare von Schwerkraft, sanftem Anpressen und schonendem Umgang hat man auch schon gehört… da ersetzt dann Routine die Neugier. Sie werden Ähnliches aus Ihren Berufen kennen.
Doch: was ist denn eigentlich ein Weinhändler?
Die Frage ist mindestens so simpel wie schwer zu beantworten. Flach gezogen könnte man sagen, ein auf Alkohol spezialisierter Einzelhändler. Neumagener Weinschiff Das Berufsbild als solches existiert allerdings nicht – jedenfalls nicht wie ein Automobil-, Versicherungs- oder Bankkaufmann. Schon in vorchristlicher Zeit wurde Wein von Händler aus dem Anbaugebiet in das Verbrauchsgebiet gekarrt und dort dann verkauft. Anfänglich wahrscheinlich als eines von vielen Handelsgütern – abgefüllt in Amphoren oder transportablen Fässern. Diese fahrenden Gemischtwarenhändler haben sich irgendwann spezialisiert und wurden eben reine Weinhändler, bezogen ihre Ware noch immer lose – also in Fässern - und füllten die Weine dann am Zielort so oder so ab.
Eines der berühmtesten Beispiele für dieses Tun ist der Rotspon aus der Hansezeit, der es als Name und eigenständiges Produkt immerhin bis in die Neuzeit geschafft hat. Dieses Produkt und sein spezieller Ausbau dürfte auch ein Grund sein, warum viele richtig – also so richtig, richtig - alteingesessene Weinhändler im Norden Deutschlands sitzen. Der Verkauf von Wein in Flaschen kam übrigens erst im 20. Jahrhundert in Mode – da hatte so ein Rothschild seine Finger im Spiel und beschloss, die Abfüllung direkt auf dem Château machen zu lassen, um die Qualität des Endprodukts bis zum Endkunden zu gewährleisten.
Man mag sich heute kaum noch vorstellen, wie die Weine wohl geschmeckt haben, die über hunderte von Kilometern auf einem Schiff oder Ochsenkarren in Sonne und Kälte schön den Kontakt zum Sauerstoff pflegten und reiften… und wie es dann wohl beim Händler vor Ort gewesen sein mag? War das Fass in den der neugelieferte Wein umgefüllt wurde wirklich schon komplett leer? Sei’s drum.

Spätestens in den 70er/80er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte der deutsche Weinhandel eine Art Blütezeit – na, wenigstens der im Westen Deutschlands. Die Konsumenten waren zu Geld gekommen, ars vivendi und dolce vita in sie gefahren und mit Ford Taunus, Opel Ascona etc. konnte man die Welt erobern und sehen. Viele der heute überregional bekannten Weinhändler sind in diesen goldenen Jahren gegründet worden – auch die Wein-Bastion!
Witzig sind die Berufsbilder der Gründer: Physiker und Banker, Verleger oder Gemüsehändler machten sich auf, um den guten Geschmack auf deutschen Zungen zu verteilen: die Zeit der Quereinsteiger war gekommen. Im Grunde bin auch ich noch ein Kind dieser Jahre, denn zwischen Schreiner und Psychologe hatten sicher viele Berufswünsche auf meiner kindlichen Liste des Erstrebenswerten gestanden – Weinhändler aber nie.

Wein verkosten Das ist dann der Moment an der „Bar irgendwo auf der Welt“, an dem ich nur mit den Achseln zucken kann: wie wird man denn Weinhändler?
Ich habe das noch so gelernt: kaufmännische Ausbildung und dann „viel schlotzen“, sprich probieren. Dieses learning by doing kam mir wohl sehr entgegen und inzwischen kann ich sogar das linke vom rechten Ufer unterscheiden guck an.

Auch wenn es das Berufsbild des Weinhändlers noch immer nicht gibt, so gibt es heute deutlich dezidierte Ausbildungen, mit denen man einer werden kann und so sind die heutigen Berufseinsteiger - wohl wenigstens theoretisch - besser ausgebildet, als ich das noch war und mir den Rest dann antrinken musste. Die Kaderschmiede des Deutschen Weinbaus, die Hochschule Geisenheim, bietet beispielsweise den Studiengang „Internationale Weinwirtschaft“ an, auch an der Hochschule in Heilbronn existiert ein Studiengang mit der vielversprechenden Bezeichnung „Weinmarketing und Management“.
Das man es damit weit bringen kann zeigt ein ehemaliger Azubi aus der Bastion, der inzwischen im Weineinkauf von REWE sehr weit oben sitzt. Auch das werden Sie aus Ihren Berufen kennen – irgendwas mit Marketing und am Schluss sollte schon ein B.Sc. stehen, sonst kann’s nichts.
Aber es gibt sie auch heute noch, die Quereinsteiger, die es aus Begeisterung machen, oft kommen sie aus der Gastronomie, aber es gibt auch weiterhin den konvertierten Banker oder den spätberufenen Sozialpädagogen, viele sind auch ausgebildete Sommeliers – zu den modernen Sommeliers, nehme ich mir in diesem Moment vor, muss ich auch mal noch einen Text verfassen.
Wohl und Weh: nun fragt man sich natürlich, wie man gut beraten werden kann, wenn der Weinhändler noch nicht mal einen Bachelor hat. Nun ja, ich habe viele Leute in dieser Branche kennengelernt und es waren sicher nicht unerheblich viele Arschgeigen dabei, aber bei all dem haben die Weinhändler immer zwei Dinge geeint: sie haben keine Lust schlechten Wein zu trinken.
Klar, schlechter Wein ist ein subjektives Ding, aber es kommt etwas hinzu, was man als Weinhändler-Ethos bezeichnen kann.

Echte Weine Der Wein-Dealer des Vertrauens muss Ihnen nichts aufschwatzen.
Kommen Sie also in einen Laden, suchen einen Côtes du Rhônes und Ihr Gegenüber brabbelt permanent was von Premier Cru – gehen Sie.
Kommen Sie in einen Laden und suchen einen italienischen Rosé, ihr Gegenüber will Ihnen aber unbedingt einen Franzosen aufschwatzen – gehen Sie.

Wenn ein guter Weinhändler keinen italienischen Rosé im Angebot hat, wird er es Ihnen sagen, Ihnen Alternativen vorschlagen und wenn Sie die nicht wollen, wird er sich freuen, Sie bei erneutem Bedarf aus einer anderen Anbauregion wieder beraten zu dürfen.

Alles andere sind egozentrische Spinner – keine Weinhändler.

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