Vinitaly 2023

08.04.2023

Messen > Vinitaly

Er hört nicht auf, der bunte Messereigen des Frühjahrs 2023, die dritte große Runde führt uns nach Verona:

3. Etappe: Vinitaly, 2.-5.4.2023


Italiens größte Weinmesse ist immer ein Highlight des Weinjahres! Nicht nur, dass man sich durch die komplette italienische Weinwelt konzentriert vor Ort verkosten kann, auch das ganze Ambiente und Flair der Messe hat was Einzigartiges. Hier spürt man die nationale Bedeutung: Wein ist das größte landwirtschaftliche Exportprodukt des Landes, große Honoratioren aus der Politik schauen zumindest an einem der Tage bei der Messe vorbei, die Kunst, Kultur und der Mythos um Wein wird zelebriert und die Stadt selber mit ihren Einwohnern und Besuchern ist vier Tage lang in einer karnevalistischen Feierlaune.

In den Messehallen kommt es daher zu einem großen Trubel was musikalische Darbietungen angeht, hier und da schiebt sich ein Sicherheitstross mit einer politischen Größe in der Mitte durch die Gänge, die meisten Besucher haben sich bis auf die letzte Haarspitze herausgeputzt und die Weingüter überbieten sich gegenseitig mit ihren extravaganten Messeständen, die hier und da architektonischen Meisterleistungen gleichen. Dazu kommt, dass die Messe öffentlich ist, d.h.: jeder darf rein, nicht nur das Fachpublikum.

So wird die Vinitaly eine jährliche Manifestation und Huldigung des leicht chaotischen, aber durchweg positiven Lebens in Italien! Und wir waren mittendrin.

Wir, ein Team aus zwei Bastions-Mädels und zwei ebensolchen Jungs, sind am Samstagnachmittag Richtung Lazise, Gardasee, aufgebrochen und kamen dort rechtzeitig an, um in unserer Unterkunft noch Essen gehen zu können. Hier wartete das erste Highlight auf uns! Auf der positionsreichen Weinkarte entdeckten wir eine Perle: den 2008er Dessimis Pinot Grigio von Vie di Romans. Ein Wein, den das friulanische Weingut gar nicht mehr fabriziert. In einem schönen Rostrot ergoss sich der Wein ins Glas, in der Nase und am Gaumen faszinierten die fantastische Struktur und Eleganz und immer wieder wurde von uns erwähnt, wie frisch und kein bisschen müde der Wein war. Ein guter Auftakt!

Anreise problemlos hinter uns gebracht, ein tolles gemeinsames Abendessen veranstaltet, den Schlachtplan der folgenden Tage nochmal durchgearbeitet und einen Moralschub durch einen grandiosen italienischen Weißwein bekommen: von uns aus konnte es losgehen!

Der erste Tag: Sonntag

Nach einem eher kargen Frühstück (wir haben schon mal bessere Frühstücksbuffets erlebt) fuhren wir in die Stadt zum Fußballstadion, wo wir parkten und den kostenlosen Shuttle-Bus zur Messe nahmen.

An dieser Stelle muss man erwähnen, dass bei aller chaotischen Lebensfreude vor Ort die Messe perfekt und sehr professionell durchorganisiert war. Ein Beispiel sind diese Shuttle-Busse, die offiziell alle 15 Minuten fuhren, aber zu den Stoßzeiten im Minutentakt verkehrten. Auch die in der Früh sehr langen Schlangen am Eingangsbereich waren kein Zeit-Killer: durch die Aufteilung der Gäste in Aussteller, Fachbesucher und „einfache“ Besucher flutschte es hier sehr gut. Man hat sich Mühe gegeben für einen reibungslosen Ablauf vor Ort zu sorgen, und das hat gut geklappt. Nach dem Streik-Trauma in Düsseldorf eine sehr angenehme Erfahrung.

Bei uns standen heute die Bestandslieferanten auf der Agenda: Hände schütteln (oder auch Umarmen) und die neuen Jahrgänge verkosten. Aufgeteilt in zwei Teams stürzten wir uns in die immer voller werdenden Hallen. Und schon am frühen Nachmittag kristallisierten sich ein paar Erkenntnisse heraus: der Jahrgang 2022 scheint in Nordostitalien ein sehr guter zu sein (unsere Vertreter aus dem Veneto, vor allem Zeni und Cavalchina , sowie Bortolusso aus dem Friaul konnten durch die Bank überzeugen; von der Colli Euganei waren wir ebenfalls restlos überzeugt), Argentiera und Santa Barbara konnten auch punkten. Insgesamt kamen wir sehr viel schneller durch unser Programm als erwartet. So gelang es uns, schon ein paar Punkte der folgenden Tage abzuarbeiten und uns damit Luft zu verschaffen (traditionell ist unser Messeprogramm vollgestopft bis oben hin).

Ein paar der Kollegen waren zum ersten Mal auf der Messe und erlebten so ein paar Eigenheiten dieser Veranstaltung ebenfalls zum ersten Mal:

Ein großer Unterschied zu anderen Messen ist der Aufbau der Stände: an jedem Stand gibt es eine Theke, an der eigentlich immer ein oder zwei Personen stehen. Dort kann sich jeder bedienen lassen, sei es ein Händler oder ein Besucher. Wenn man nun aber an den Stand kommt und sein Visitenkärtchen zuckt, sich somit als Fachkraft „outet“, dann wird man oft genug hinter die Theke gebeten und darf im „Inneren“ des Standes, der dann meistens einem Zimmer im Zimmer gleicht, an einem Tisch Platz nehmen und in aller Ruhe vor dem Messetrubel verkosten. Hier und da gibt es dann auch noch eine kleine Antipasti-Platte. In Düsseldorf oder Paris wird das so nicht geboten.

Andererseits muss ich als alter Messe-Hase auch erwähnen, dass diese Gastfreundschaft auf den Veranstaltungen der Vor-Corona-Zeit auch schon ausgeprägter war: oft genug wurden wir einfach an der „ersten Linie“ zwar freundlich, aber eben auch unpersönlicher bedient. Prinzipiell stört mich das aber nicht, da die Verkostung somit auch schneller durchgezogen wird.

Eine andere Eigenheit ist das Nicht-Fachpublikum: viele Besucher zahlen den Eintritt und trinken, sprich: nicht spucken, sich durch die Hallen. Spätestens am frühen Nachmittag kann man dann so manche Ausfälle miterleben, muss Gruppen von singenden Leuten ausweichen und eine allgemein gestiegene Lautstärke erdulden. Kleine Hindernisse, die keine weiteren Herausforderungen darstellen, nicht besorgniserregend sind und hier und da auch ein leichtes Schmunzeln hervorrufen.

So sind wir dann von Bestandslieferant zu Bestandslieferant in einer Dynamik, Intensität und Schnelligkeit durchgekommen, die uns selber am meisten beeindruckt hat.

Fast schon unaufgeregt ging es mit dem Shuttle-Bus zurück zum Stadion, ab ins Auto und zurück an den Gardasee. Dort noch mit einem Bierchen auf den erfolgreichen ersten Tag angestoßen, gut gegessen und ab ins Bett.

Der zweite Tag: Montag

Frühstücken, ab ins Auto, rein in den Shuttle-Bus und auf die Messe: fast schon Routine.

Heute war unser Programm ein wenig anspruchsvoller: es ging los mit einem Termin bei Virna aus dem Piemont. Die Verkostung war sehr intensiv und wurde auch sehr ernsthaft von uns durchgeführt. Wir können hier in naher Zukunft eine kleine, aber feine Selektion an piemontesischen Weinen bei uns im Laden präsentieren.

Danach bestand unsere Aufgabe darin, sich in der Halle 9 bei Bestandslieferanten und möglichen Neuheiten einen Überblick über die Toskana zu verschaffen: im Vorfeld hatten wir entschieden, dass wir in diesem Jahr einen Fokus auf diese Region legen. Stimmt die Qualität bei unseren Klassikern? Was können wir ergänzend dazu noch ins Regal legen?

Die erste Frage können wir eigentlich nur positiv beantworten: hier stimmt alles, vor allem Nittardi und Querciabella stachen hervor, aber auch Collazzi mit ihren modernen, zugänglichen Weinen wusste zu überzeugen.

So gut wie alle im Vorfeld recherchierten „neuen“ Weingüter, die für uns in Frage kommen würden, konnten uns zumindest ein anerkennendes Nicken, ein erstauntes Augenbrauen-Hochziehen oder ein verzaubertes Lächeln hervorlocken. Hier müssen wir noch ausdiskutieren, welche Weingüter uns alle absolut von den Socken gehauen haben und aufgenommen werden sollten. Das wird eine kleine Herausforderung, weil es wohl bedeutet, dass manch ein Liebling des einen oder anderen rausfallen wird. Aber es bleibt spannend, spätestens im Sommer werden wir hier wohl ein paar Neuigkeiten präsentieren können.

Ein recht anstrengender, aber auch schöner und erfolgreicher Tag ging zu Ende. Das Bier im Hotel schmeckte an diesem Abend, nach den recht tanninhaltigen Rotweinen des Tages, besonders gut.

Der dritte Tag: Dienstag

Heute auf dem Programm: neben eininigen bereits aktiven Lieferanten unseres Sortimentes ging es um das Piemont. Hier wollen wir auch ein paar Neuheiten finden, sei es ein Roero Arneis oder auch Barolo.

Los ging es jedoch bei Polvanera : die Süditaliener präsentierten uns eine neue Linie an Schaum- und Weißweinen. Und was sollen wir sagen? Wir waren durch und durch beeindruckt und begeistert! Vielleicht ziert uns bald eine Außergewöhnlichkeit: eine Prickelei aus Apulien.

Der Großteil des Tages wurde dann in der Halle 10 verbracht, der „Heimat“ des Piemont. Insgesamt ein Dutzend Betriebe wurden von uns unter die Lupe genommen, und auch hier gibt es eigentlich keinen Ausfall zu beklagen: alle konnten mit der Qualität ihrer Produkte überzeugen. Auch hier müssen wir in den kommenden Tagen einen intensiveren Backgroundcheck machen und dann (leider) aussieben. Der momentane Favorit auf eine Aufnahme: Voerzio Martini. Ein grandioser Roero und wunderbare Barolo, das hat Spaß gemacht!

Der Abschluss des Tages wurde dann im Veneto und Südtirol begangen: zwei Kollegen probierten sich quer durch die Anbieter der alpinen Region, während die anderen Beiden, darunter ich, bei Brigaldara ein paar herrliche Amarone verkosten durften. Ich hatte Angst davor, den Tag mit solch schweren Weinen zu beenden. Doch das war völlig unbegründet: sehr feine und elegante Vertreter dieser norditalienischen Spezialität wurden präsentiert. Vielleicht eine Ergänzung unseres Sortiments in diesem Bereich?

Abends im Hotel wurde noch fleißig diskutiert: eigentlich war es nicht geplant, am Mittwoch nochmal auf die Messe zu gehen, da wir ja auch eine lange Fahrt nach Hause vor uns hatten. Und unser Pensum hatten wir problemlos abgearbeitet. Doch die Motivation war hoch, und so beschlossen wir, den Mittwochvormittag noch einmal nach Verona zu fahren.

Der vierte Tag: Mittwoch

Da wir ja kein offizielles Programm mehr abarbeiten mussten, wurden heute Dinge gemacht, die voll dem eigenen Geschmack entsprachen. Und das fiel sehr vielfältig aus: ein kleiner Abstecher nach Sizilien, ein kurzer Sprung ins Aostatal, Ausflüge in die Basilikata, ein genauerer Blick nach Südtirol, nochmal kurz ins Veneto, aber am Ende dann doch das Sich-Wiederfinden bei den Piemontesern: das Thema Roero Arneis hatte uns noch nicht losgelassen. Und wir konnten den Abschluss dann bei Filippo Gallino und ein paar schönen Vertretern dieser Rebsorte verbringen. Auch hier werden wir genauer nachhaken.

Schon war die Zeit des Aufbruchs gekommen und wir setzten uns ins Auto. Die Fahrt nach Hause war geprägt von einer Rekapitulation der vergangenen Tage und der Vertiefung der vielen Erinnerungen, die man dort gemacht hat.

Insgesamt waren es vier sehr schöne Messetage, die unserer Meinung nach erfolgreich bestritten wurden. Was die italienische Weinwelt angeht konnten wir auch ein paar allgemeinere Beobachtungen machen:

1. Eine Unzufriedenheit mit den Consorzien

Immer mehr Produzenten fällt es schwer, unter den Richtlinien ihres jeweiligen Consorzio zu produzieren. Aus welchen Gründen auch immer, aber das DOC- und/oder DOCG-Etikett spielt nicht mehr so eine große Rolle. Man hat kein Problem damit, die Weine „nur“ als IGT-Weine abzufüllen. Preislich sollte das dem Endkunden entgegenkommen. Aber hier heißt es: abwarten.

2. Italien kann Rosé!

Wir haben eigentlich in jeder Region, in der wir verkostet haben, mindestens einen Rosé probiert, der wirklich gut war. Und nicht nur das: in den meisten aller Fälle war dieser Rosé aus der lokalen Rebsorte gemacht und konnte das Profil der jeweiligen Region widerspiegeln. Primitivo aus Apulien, Sangiovese aus der Toskana, Nebbiolo aus dem Piemont: alles wunderbar herausgearbeitete Vertreter, denen man die Herkunft und Rebsorte tatsächlich anmerkte. Chapeau!

3. Die Welt nach dem Primitivo-Hype

Die große, absatzstarke Zeit des Primitivo ist ja jetzt auch schon ein paar Jahre vorbei. Diese Weine erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit, aber der große Rush ist abgeebbt. In Apulien werden jetzt neue Interpretationen vinifiziert (bei Candido habe ich einen verkostet, der mich mehr an einen Olorosso Sherry erinnert hat, als an Primitivo. Das war jetzt nicht schlecht war, nur anders…), während der Rest Italiens seine Philosophie bezüglich der roten Einstiegsweine geändert hat: so gut wie jeder produziert nun einen kleines Fruchtbömbchen für den Alltag. Dichte Weine, voll auf der Frucht, easy-drinking, das unkomplizierten Spaß verspricht.

4. Die allgemeine Qualität stimmt

Es gab so gut wie keine Ausfälle durch fehlerhafte Weine. Die Arbeit im Weinberg und Keller scheint sehr gewissenhaft durchgeführt zu werden. Das allgemeine Niveau der Qualität war sehr hoch. Zum einen erwartet man das schon irgendwie, aber es beeindruckt auch immer wieder. An dieser Stelle: Danke an alle Produzenten!

Italien schafft es sein Wein-Profil zu erhalten, aber auch in eine neue Zeit zu lenken. Klassische Interpretationen stehen hier neben Innovationen, oft genug vermischen sich beide. Eine neue Riege an jungen Winzern hat hier großen Einfluss. Man darf gespannt sein, was in diesem dynamischen Weinland weiter passieren wird.

Und weil ich es in den oberen Abschnitten mehrfach erwähnt habe: man kann schon sagen, dass auch dieses Jahr die karnevalistische Grundstimmung spürbar war, aber lange nicht so ausgeprägt wie zu Prä-Covid-Zeiten. Vielleicht wird die Messe tatsächlich gesetzter, vielleicht kehrt sie erst mit Zeit zu den „alten Mustern“ zurück.

Abschließend noch eines: Mittwoch Abends kamen wir wieder in Ulm an und fuhr tags drauf zu meinen Eltern nach Baden (Ostern und so…). Und was soll ich sagen: hier ist es wärmer als in Verona…

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