Champagne Bollinger

Die Gemeinde Ay im Departement Marne gehörte ursprünglich zur Region Champagne-Ardenne. Am 1. Januar 2016 fusionierte die Gemeinde mit Mareuil-sur-Ay und Bisseuil zur neuen Gemeinde Ay-Champagne, was hauptsächlich dem Rückgang der staatlichen Subventionen geschuldet ist.

Ay liegt knapp 30 km südlich von Reims im Regionalen Naturpark Montagne de Reims. Die Kette von Südhängen im Tal der Marne, die sich zur Ebene der Champagne hin öffnet, kann die Sonnenstrahlen besonders gut auffangen, wodurch ein güntiges Mikroklima entsteht. Es ist hier trockener als in anderen Gemeinden des Marnetals und so reifen volle, runde und reife Weine mit reichlich Aroma heran, was wiederum die Erzeugung kräftige Champagner mit einem lebhaften Säurespiel ermöglicht.

Der deutschstämmige Champagnerproduzent Joseph Jacob Bollinger, Sohn eines Juristen aus Ellwangen, gründete 1829 zusammen mit dem Admiral Comte de Villermont und Paul Renaudin das Champagnerhaus Renaudin-Bollinger. Renaudins Name verblieb, obwohl er ohne Erben starb, bis in die 1960er auf dem Etikett. Joseph-Jaques Bollinger – wie er sich in Frankreich nannte – starb 1884 im Alter von 81 Jahren und übertrug die Firma seinem Sohn. Im selben Jahr wurden sie von Queen Victoria zum offiziellen Hoflieferanten des Britischen Hofes ernannt.
Bollinger ist bis heute familiengeführt und ist damit eines der ganz wenigen bedeutenden Champagnerhäuser, die sich noch in Privatbesitz befinden.

Ab dem Jahre 1885 wurde damit begonnen, die Firma mit dem Ankauf von Rebflächen in den angrenzenden Gebieten auszubauen. Heute zählen 160 Hektar zum Besitz des Hauses - 80% davon liegen in Grand- und Premier Cru Lagen und bilden die solide Grundlage für die konstante Qualität. Die Rebflächen liegen in Montagne de Reims und an der Côtes de Blancs auf stark von kalkig geprägten Böden und decken etwa 2/3 des Traubenbedarfs ab. Das restliche Drittel wird von Winzern zugekauft, die mit dem Haus eine langjährige Partnerschaft pflegen.

Die Weine reifen vor dem Degorgieren im Keller: die Spezial Cuvée mindestens drei Jahre, der Grand Année fünf und der R.D. (Récemment Dégorgé = vor kurzem degorgiert) sogar 8 Jahre. Diese Reifezeit ist wesentlich länger als die Mindestanforderung, gehört allerdings zur einzigartigen Philosophie des Hauses, welche sich seit 1992 in einer eigenen Charta der Ethik und Qualität manifestiert.

1. Alle Weine werden im Stammhaus selber vinifiziert und ausgebaut.
2. Der Rebbesitz ist ein Garant für die Kontinuität des Stils.
3. Bollinger bevorzugt Trauben aus Grand Cru- und Premier Cru-Lagen.
4. Die Rebsorte Pinot Noir ist die Grundlage für die Champagner.
5. Es wird nur den Saft aus der "Cuvée" verwendet.
6. Der Ausbau findet in Eichenfässern statt.
7. Die "vins de réserve" reifen in Magnumflaschen.
8. Der Champagner reift viel länger.
9. Bollinger hält die Tradition aufrecht, den Naturkorken als Flaschenverschluss während der zweiten Gärung für Grande Année, R.D. und die "vins de réserve" zu verwenden.
10. Die Dosage wird zurückhaltend eingesetzt.
Gerhard Eichelmann Champagne 456
*Joseph Bollinger, der aus Württemberg stammte, Athanase de Villermonte, der 10 Hekatr Weinberge in Aÿ besaß, und Paul Renaudin gründeten 1829 ein gemeinsames Unternehmen mit dem Namen Renaudin-Bollinger & Cie. Joseph Bollinger kümmerte sich um den Verkauf und Paul Renaudin um den Keller. Joseph Bollinger heiratete später Louise-Charollte, die Tochter von Athanase de Villermont. Ihre Söhne Jospeh und Georges führten danach das Haus und erweiterten die Weinberge; ab 1920 führte Jacques Bollinger, der Sohn von Georges, das Haus, das nach seinem Tod von seiner Witwe Elizabeth Bollinger, einer gebürtigen Schottin, weitergeführt wurde. Das Haus befindet sich noch heute im Besitz der Nachkommen, und erst 2008 führte erstmals ein Präsident das Haus, der nicht aus der Eigentümerfamilie stammte. Die eigenen Weinberge liefern etwa zwei Drittel der Trauben, sie liegen vor allem in Aÿ, Avenay Val d´Or, Tauxières, Louvois und Verzenay (für Pinot Noir), Champvoisy, Passy-Grigny uns Ventueil (zusammen 24 Hektar, Meunier); die eigenen Weinberge bestehen zu 60 Prozent aus Pinot Noir. Die Weine werden hauptsächlich in Eichenfässern ausgebaut, in gebrauchten Barriques, die im Durchschnitt 15 bis 20 Jahre alt sind; nur die Special Cuvée und der Rosé werden überwiegend in Edelstahl vinifiziert. Bollinger besitzt insgesamt 3.000 Fässer und ist das einzige Champagnerhaus, das einen eigenen Küfer hat. Die Reserveweine werden teilweise in Magnumflaschen gelagert. Die Jahrgangschampagner werden mit Naturkorken abgefüllt (sous liège).
Die Stilistik
Bollinger war bis vor zwei Jahrzehnten für mich einer der großen Namen der Toperzeuger in der Champagne. In meiner ersten veröffentlichten Klassifikation der Champagnerhäuser war Bollinger eines von nur drei Häusern dem ich die Höchstnote von fünf Sternen zuerkannte. Dann folgten unstetigere Zeiten. Das lag einmal an massiven Korkproblemen in den neunziger Jahren, die gegen Ende des Jahrzehnts ihren Höhepunkt erreichten (dies Problem schien zuletzt überwunden, allerdings hatte ich einen 2012er La Grande Année mit kräftigem Korkstinker). Zum anderen ist die Qualität des Klassikers, der Spécial Cuvée, die früher mein Lieblings-Brut ohne Jahrgang war, einen Kontrast von Frische und Süße (ob es daran lag, dass man den Edelstahl-Anteil erhöht hat?); dies ist nun seit einigen Jahren nicht mehr der Fall, die Spécial Cuvée zeigt konstant hohes und gleichmäßiges Niveau, sie ist harmonisch und elegant, wunderschön fein, komplex und lang, entwickelt mit etwas Reife feine Briochenoten. Ebenso fein und elegant ist der Rosé, ebenfalls bereits ein Klassiker, obwohl er erst 2008 eingeführt wurde, der betörend harmonisch und lang ist. Deutlich konzentrierter und fülliger sind die sous liége ausgebauten Jahrgangschampagner. La Grande Année ist im Jahrgang 2014 rauchig, konzentriert, intensiv, frisch, komplex, stoffig, noch sehr jugendlich, was auch für den fruchtintensiven La Grande Année Rosé gilt, bei dem der Rotweinanteil deutlich intensiver ist als beim Non Vintage-Rosé. La Grande Année und R.D. weisen deutliche Jahrgangsschwankungen auf; sie reifen beide hervorragend, weisen aber doch recht starke Abweichungen von Flasche zu Flasche auf, die für ältere Champagner durchaus normal sind, aber durch die tirage sous liége noch verstärkt wird. Der Coteaux Champenois La Côte aux Enfants, früher immer etwas hart und tanninbetont, ist in den Jahrgängen 2015 und 2016 herrlich intensiv und fruchtbetont, reintönig, kraftvoll und lang, beide sind im Vergleich zu früheren Jahrgängen deutlich opulenter.
Die Champagner
Das Sortiment besteht aus Special Cuvée (60% Pinot Noir, 25% Chardonnay, 15% Meunier, hoher Anteil an Reserveweinen, bis zu fünfzehn Jahre alt, Edelstahl, etwa 15% Barrique,, 85% aus Premier- und Grand Cru-Lagen), Rosé (basiert auf der Special Cuvée, rosé d´assemblage mit 5% Rowein aus Verzenay und Aÿ, eingeführt 2008), La Grande Année Millésimé (bis 1996 nur „Grande Année“ genannt, etwa zwei Drittel Pinot Noir, ein Drittel Chardonnay,k Dosage 7 bis 9 Gramm), La Grande Année Rosé Millésimé (gleiche Cuvée, rosé d´assemblage mit 5% Rotwein aus der Lage Côte aux Enfants) und R.D. Millésimé (die identische Cuvée wie La Grande Année, aber ein paar Jahre länger auf der Hefe gereift und extra-brut dosiert; „R.D.“ steht für récemment dégorgé, kürzlich degorgiert). Es gibt nicht unbedingt La Grande Année und R.D. im gleichen Jahrgang (1981 gab es nur R.D., 1992 nur La Grande Année). In sehr guten Jahrgängen wird auch Vieilles Vignes Français Millésimé aus zwei kleinen Pinot Noir-Parzellen in Aÿ (Chaudes Terres, 21 Ar, und Clos Saint-Jacques, 15 Ar) mit teilweise wurzelechten Reben hergestellt; und auch La Côte aux Enfants Aÿ Rouge Coteaux Champenois, ein Pinot Noir aus der gleichnamigen Lage (ein Drittel ganze Trauben, acht Monate Barriqueausbau). Ende 2020 wure eine neue Cuvée lanciert, „PN VZ15“, ein reinsortiger Pinot Noir aus Verzenay (Basisjahrgang 2016) „PN TX17“ (100% Pinot Noir, hauptsächlich aus Tauxières, Basisjahrgang 2017, Reserveweine bis 2006). Im Jahrgang 2013 wurde bereits ein reinsortiger Pinot Noir hergestellt („B 2013“); im Jahr 2003 gab es eine Cuvée „2003 by Bollinger“ (60% Pinot Noir und 40% Chardonnay). *

Gegründet: 1829
bewirtschaftete Fläche: 160 ha
Besitzer: Société Jacques Bollinger (Familienbesitz)
Webseite: www.champagner-bollinger.de
Anschrift: 16, rue Jules-Lobet, FR 51160 Aÿ