Bordeaux 2015 – eine Jahrgangsbetrachtung mit zwinkerndem Auge - Fazit

29.04.2016

Messen > Bordeaux en primeur

..oder Versuch eines Fazits. Ich habe Bordeaux und seine handelnde Weinlandschaft in diesem Jahr sehr bemüht erlebt. Alle Negociants waren sehr auf Kundennähe erpicht, Streicheln und Verwöhnen schien das Motto. Die Verkostungen auf den Chateaux waren wie üblich etwas befremdlich und entfremdend. Eine Mitreisende, die ihr Zuhause auf dem familiären Weingut hat, klagte nahezu: hier geht’s nur sehr wenig um den Wein, schon gar nicht, um dessen Erzeugung und am allerwenigsten um die Leute, die helfen ihn zu erzeugen. Hier geht’s um Marken und Namen. Da hat sie wahre Worte gesprochen: ich habe den „en-Primeur-Zirkus“ noch nicht in dieser Ausprägung erlebt, der jugendliche Anglizismus abgespacet trifft es wohl am besten. Aber dennoch alles mit Selbst- und Sendungsbewusstsein. Man ist immer noch Bordeaux und man hat den Glauben daran, dass sich die Kunden abermals aufs schlingernde Aussagen à la „der beste Jahrgang, den ich je gemacht habe“ einlässt, noch nicht verloren. Das Wichtigste: die Weine. Ohne mich wiederholen zu wollen, es ist ein guter, mancherorts sehr guter Jahrgang, kein Überjahrgang. Dafür fehlt es ihm sowohl an Homogenität als auch an Brillanz, oft an Kraft – was ihm sicher nicht fehlen wird ist Ausdauer. Einige herausragende Weine machen noch keinen Jahrhundertjahrgang und die derzeit von Handelshäusern verbreitete „alles ist super und es wird alles teurer werden, weil es so super ist“, teile ich nicht. Mir scheint da, bei allem Respekt, die Haftung in der Realität etwas abgängig. Die Weißweine waren mit sehr wenigen Ausnahmen, wenig erhebend. Gleichermaßen fand ich die am Wegesrand verkosteten Sauternes nicht überdurchschnittlich – der Jahrgang war wohl, und das reut mich als ausgesprochener Freund bordelaiser Weißweine sehr, zu warm für gute Weiße. Die Rotweine: wie erwähnt fiel auf, dass gerade von eher Zweit- und Drittligagütern erstaunlich gute Weine kamen. Das ist, vor dem Hintergrund, da die Witterung im Allgemeinen keine bösen Fouls präsentierte, etwas wunderlich. En Primeur kaufen oder nicht? Wir als Händler auf jeden Fall, aber mit Ruhe und Bedacht. Sie als Kunde? Auch mit Ruhe und Bedacht. Es wird keinen börsenartigen Run geben, die Mengen sind reichlich – freilich, was freigegeben wird, ist eine andere Frage – und der Markt ist, sagen wir mal kühl. Und noch ein kleines Nachwort, da inzwischen ja die ersten Noten großer Verkoster herausgekommen sind, scheinen meine Bepunktungen eher etwas nüchtern. Man hat hier und da den Eindruck, 95 Punkte seien die neuen 90 – und das nicht nur bei Suckling. Man könnte vermuten, die Abwesenheit von Parkers Allmacht führt nun zu einem Punkteregen – Kollege Hilse hat das wie üblich schön formuliert. Wo ich dem Kollegen allerdings LEIDER widersprechen muss, ist: ein Wachstum an Vielfalt in der Stilistik; hier bedarf es in Bordeaux wohl noch ein wenig an Zeit und Selbstbewusstsein. In eigener Sache. Das Geschriebene klingt über weiter Strecken etwas spöttisch und ist im Grunde auch so gemeint. Es ist allerdings nicht bösartig zu verstehen. Ich liebe Bordeaux seit ich mit dem „dezidierten“ Weintrinken angefangen habe, ich verteidige Bordeaux, wo es recht und nötig erscheint, aber ich bin dieses Pseudogehype nun wahrlich auch leid. Alle Weinregionen der Welt kriegen es hin, ihre Jahrgänge legitim zu bewerten und ich bin mit Doktrin erzogen worden, dem Winzer auch in schwachen Jahrgängen die Treue zu halten. Aber ich mag auch eins nicht: Mittelmäßigkeit mit Geschwätz zu überdecken. Was Bordeaux fehlt, ist, neben vielen Kunden, die Haftung im Produkt. Wir reden über ein Lebensmittel, Bordeaux und viele der Chateaux haben versucht, sich als Marken zu installieren. Das ist in manchen Fällen gelungen, in der Überzahl der Fälle wirkt es nur mehr lächerlich. Ich will nicht verleugnen, dass ich lieber Geld mit Bordeaux denn mit Ciro verdiene, geschweige denn, dass ich meinen Job mache, um Geld zu verdienen. Aber final verkaufen wir Wein, keine Aktien. Wir stehen mit unserem täglichen Produkt, für das wir viel Zuneigung aufbringen, relativ deutlich in der Mitte des Lebens. Und aus dieser versucht sich Bordeaux weiterhin zu entziehen – was dem Zirkus irgendwann den Kopf kosten wird…aber das nur am Rande.

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