Die Mainzer Weinbörse 2024, oder: quo vadis, VDP?

03.05.2024

Messen > Mainzer Weinbörse

Am letzten Wochenende im April findet mittlerweile schon zum 50. Mal die alljährliche Mainzer Weinbörse des VDPs (wer mehr über den VDP wissen will klickt hier) statt. Dazu wollen wir erst einmal gratulieren! Schon seit einem halben Jahrhundert ist diese Messe der Leitstern in Punkto hochwertiger deutscher Qualitätswein. Und es nicht selbstverständlich, dass man sich so dauerhaft und beständig mit einer solchen Veranstaltung etablieren und auch einen weltweiten Ruf erarbeiten kann. Herzlichen Glückwunsch, lieber VDP!

Und wenn sich die Spitze des deutschen Weinbaus trifft, um an zwei Tagen ihre Weine zu präsentieren, dann dürfen wir natürlich nicht fehlen. Und so begibt man sich am Sonntag, 28.4., zur Rheingoldhalle nach Mainz. Ein EDV-Fehler am Eintritt sorgt für eine lange Schlange, es dauert eine Stunde, bis man tatsächlich drinnen ist. Aber gerade während diesem langen Warten kann man die Internationalität der Messe erkennen: ein buntes Sprachengewirr umgibt den Besucher, aus allen Ecken der Welt scheinen Gäste angereist zu sein.

Endlich drinnen, mit Glas, Block und Stift bewaffnet, geht es los. Für uns steht heute der neue Jahrgang unserer Bestandslieferanten auf dem Plan. Und das überprüfen wir als Erstes bei Bassermann-Jordan aus der Pfalz. Ein paar der neuen Weine wurden ja schon auf der Summa Tirol verkostet, so liegt der Fokus hier auf den paar wenigen Weinen, die für uns noch unbekannt sind. Ganz spezifisch ist das der Forster Riesling aus 1. Lage. Der Wein präsentiert sich mit einer schönen Saftigkeit aber auch mit enormen Zug am Gaumen. Richtiggehend adstringierend wird dieser wunderbar strukturierte Riesling zu einem feinen Essensbegleiter. Es geht schon mal gut los, hier in dieser altehrwürdigen Halle, die mittlerweile proppenvoll ist. An vielen Ständen herrscht großes Gedränge. Doch davon lässt man sich nicht aufhalten, weiter geht es zu August Kesseler im Rheingau.

Die Rieslinge und Pinots bestechen mit frischer Leichtigkeit und Zugänglichkeit, gerade die Weine der Daily August-Linie kann jede*r zu jederzeit aufmachen und viel Spaß beim Genuss damit haben. Schade fanden wir, dass die Lagenweine und Großen Gewächse nicht vorgestellt wurden. Aber da diese gerade in den Fässern ruhen auch verständlich. Beschwingt geht es weiter an die Ahr, zum Weingut Adeneuer. Der Purist Blanc de Noir ist unserer Meinung nach immer einer der besten Seiner Art und die Spätburgunder stehen ohnehin für sich. Gerade die „Kleine Kammer“ ist ein herzwärmendes Gedicht an Wein!

Die nächsten Schritte führen nach Württemberg, zum Weingut Hohenbeilstein und Weingut Heid. Beim Pionier im ökologischen Weinbau, Hohenbeilstein, bekommen wir die nächsten zukunftsweisenden Produkte präsentiert: mehrere Weine aus Piwi-Rebsorten. Gerade der Rotwein aus Cabernet Cortis ist tatsächlich schön: ein Alltagsrotwein, vielseitig einsetzbar, auf einem schönen Niveau. Aber auch der Chardonnay Ortswein stellt Ansprüche auf eine Aufnahme in unser Sortiment. Wer sich mit dem Reglement vom VDP besser auskennt, fragt sich jetzt sicher verwundert: Piwi-Weine? Ist das überhaupt zugelassen nach den Statuten des Verbands? Dazu später mehr. Die Weine von Markus Heid sind so wie man es von diesem fokussierten und peniblen Winzer kennt: geradlinig, sehr sauber und klar, mit einer klaren Handschrift versehen, einer sofort erkennbaren Rebsortentypizität, einfach schön. Eine neue Linie an Weinen, treffend „Auf den Punkt“ genannt, zeigen das Schaffen der nächsten Generation: hier wurde ein feiner Orange-Wein von Sohn Jonas Heid präsentiert.

Ein kurzer Sprung nach Franken zu Rudolf May, um die Weine, die er nicht auf der Prowein dabei hatte, zu verkosten (hier gibt es einen abgefahrenen Chardonnay!), bevor es schon wieder zurück nach Württemberg zu Christian Dautel geht. Hier finden wir den altbekannten Charme in den Weinen vor, auch wenn auf der Guts- und Ortswein-Ebene die Weißweine eine gewisse Tendenz zum Gerbstoff aufweisen. Das gibt ihnen neben der Fruchtfülle einen zarten herben Kick im Abgang. Der Sommer kann kommen!

Geographisch geht es ein bisschen in den Westen, nach Baden, genauer: an den Kaiserstuhl. Das Weingut Bercher ist dran. Die Spätburgunder auf der Ortsweinebene sind mit das Beste, was man in dieser Preisklasse in Deutschland bekommen kann, während sich die Großen Gewächse in Sachen Qualität nicht hinter den großen Lagenweinen aus dem Burgund verstecken brauchen. Gerade die auf Vulkanboden gewachsenen Rotweine sind eine Wucht! Eleganz, Tiefe, Komplexität: alles da, alles sehr harmonisch und für die Ewigkeit gebaut. Außerdem noch ein grandioser Chardonnay und ein Pinot Brut, der 52 Monate auf der Feinhefe lag. Hier wurden wir ein wenig verwöhnt.

Zwei Stände weiter, in derselben Region finden wir das Weingut Dr. Heger. Auch hier eine wirklich schöne Ausgewogenheit in den Weinen, alles ist sehr präzise ausgearbeitet. Im Gegensatz zu den Weinen von Bercher haben wir hier mehr Leichtigkeit, sie tänzeln ein wenig mehr.

Die letzte Station des Tages führt wieder nach Franken, zum Weingut Bickel-Stumpf. Hier gibt es eine ganz klassische Auswahl an VDP-Weinen, vom Gutswein bis hoch zum Großen Gewächs. Der Jahrgang 2023 hat den Weinen von Matthias Stumpf mehr Fülle und Kraft verliehen. Die Frucht bleibt aber sauber herausgearbeitet und an Frische fehlt es auch nicht. Hier bekommt man ortstypische Silvaner mit guter Qualität und zu fairen Preisen. Da kann man nur anerkennend nicken.

Ein erfolgreicher und vollgepackter Sonntag (in Bezug auf unseren Plan und in Bezug auf die Halle) geht zu Ende. Der Montag wird im Zeichen der Mosel, Saar und Ruwer, sowie weiteren Stippvisiten in den anderen Weinbau-Regionen Deutschlands stehen.

Die Verkostung am Montag ist lang nicht so gut besucht, wie die sonntägliche und so kann man relativ gemütlich durch die Gänge schlendern. Dazu kommt, dass das große „Pflichtprogramm“ so gut wie erledigt ist und wir so mehr Zeit zum Schnuppern haben. Trotzdem gibt es noch ein paar Bestandslieferanten abzudecken, z. B. Van Volxem von der Saar. Und der neue Jahrgang der Weine von Roman Niewodniczanski ist fantastisch. Die Finesse und Struktur, die Intensität und Eleganz und die nicht enden wollenden Abgänge der Weine suchen ihresgleichen. Nach einem eher durchwachsenen letzten Jahrgang ist das Weingut von internationalem Format wieder voll da!

Auf dem Weg zur nächsten Station, das Weingut Schätzel, schauen wir links und rechts und verkosten hier und da verschiedene Vertreter aus verschiedenen Regionen, mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Ein paar Weingüter bedürfen aber sicher einer näheren Betrachtung, da kann man sicher das eine oder andere aufnehmen.

Beim rheinhessischen Vertreter, sprich: Schätzel, gibt es dann Orange-Weine par excellence zu genießen. Es gibt wohl keine anderen Weine dieser Machart, die die ganze Bandbreite an Aromen und Texturen so gut abbilden wie diese hier. Natürlich muss man sowas mögen, aber Liebhaber dieser Weine werden hier nur glücklich werden.

Den Rest des Tages verbringen wir mit Suche nach neuen Entdeckungen, altem Vergessenem sowie mit vielen Gesprächen mit Winzern über das klimatische Weinjahr 2023, den Frostschäden des diesjährigen Aprils (an der Nahe haben manche Winzer bis zu 100% Ernteausfälle zu erwarten!) und über die Ausrichtung und Zukunft des VDPs.

Wie schon kurz im Zuge der Piwi-Weine von Hohenbeilstein erwähnt, war es interessant zu sehen, dass mehrere Winzer Weine vorstellten, die eigentlich nicht den Stauten des VDPs entsprechen. Noch vor wenigen Jahren hätte der VDP solchen Bestrebungen wohl auch noch einen Riegel vorgeschoben bzw. die Winzer hätten sich gar nicht erst getraut, diese Weine zu präsentieren. Warum können diese Weine nun verkostet werden, ohne dass es zu Konsequenzen kommen wird? Das hat wohl mehrere Gründe, die sowohl von innen als auch von außen herrühren.

Man muss dem VDP zu Gute halten, dass mit seiner kontinuierlichen Arbeit und der klaren Fokussierung auf Qualität, das generelle Niveau von Weinen aus Deutschland gestiegen ist. Nicht nur bei den Betrieben des VDP, sondern in deren Fahrwasser auch bei vielen anderen Winzern. Gerade die vierteilige Qualitätspyramide hat sich landesweit durchgesetzt und ist auch bei den Kunden mittlerweile nichts Unbekanntes mehr. Es gibt wohl kaum noch einen Winzer in Deutschland, der seine Weine nicht nach dem Guts-, Orts-, Lagen- und Großen Gewächs-Weinen klassifiziert, ob er nun den Segen des VDP hat oder nicht und sich mit „Großem Geweih“ daran anlehnt. Hier fehlt eine gesetzliche Grundlage und ein Markenschutz und so verliert der VDP ein wenig an Profil. Der VDP als Vorreiter, muss sich jetzt aber mit den Fragen der Kunden befassen, die nicht verstehen, dass ein Großes Gewächs von VDP-Weingut so viel mehr kostet als ein „Irgendwas mit GG“ von einem Nicht-VDPler, der diese Bezeichnung per se nicht tragen dürfte. Hier bedürfte es der Tat und so wird ein großer Teil der Aufmerksamkeit des VDPs weg von den eigenen Mitgliedern nach außen gerichtet.

Zum anderen kommt bei vielen Mitgliedsbetrieben immer mehr die nächste Generation ans Ruder des Betriebs. Und diese haben sehr oft eigene Vorstellungen, wie Wein gemacht werden soll - nicht selten deckt sich das nicht mit dem Reglement des VDPs. Dieses Phänomen von innen ist vielschichtig in seinen Ausprägungen, sei es durch den Einsatz von Piwi-Sorten (Hohenbeilstein), sei es der Hang zum Orange-Wein (Schätzel), sei es das Anbauen anderer Rebsorten im Zuge des Klimawandels, sei es in den Bezeichnungen auf den Etiketten der Weine. Nun gab es schon immer Abweichler von der VDP-Norm – im Grunde ja nichts schlechtes, denn Winzer sind ja oft auch Künstler -, nur werden sie jetzt immer offener und direkter und lassen sich nicht vom VDP vorschreiben, dass dieses oder jenes nicht geht. Hier muss sich der VDP überlegen, wie er sein Erfolgsmodell der Qualitätspyramide an diese geänderten Bedingungen anpassen kann. Rausschmeißen – in welcher Forma auch immer, ist ja gemeinhin eine Option, aber keiner, weder VDP, noch Winzer noch Kunden, wollen diese klare Einteilung der Weine missen, aber die neuen Entwicklungen sollten halt irgendwie auch berücksichtigt und mit einbezogen werden. Sonst geht das klare Profil des VDPs von innen her verloren.

Es gibt also viel zu Denken beim VDP: die Abgrenzung zu anderen Winzern muss geschärft werden und die neuen Bestrebungen der einzelnen Mitglieder mit einbezogen werden. Sonst kann es passieren, dass der VDP für nicht mehr viel steht, außer Beliebigkeit.

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